Stell Dir vor, Du rollst aus 3m Entfernung einen Golfball mit der Hand zum Loch mit dem Ziel, ihn einzulochen. Wohin schaust Du dabei? Nicht auf den Ball sondern auf das Loch, oder? Und warum schaust Du beim Putten mit einem Schläger dann auf den Ball?
Einige Spieler setzen genau das um und wenden – wie Jordan Spieth schon vor Jahren- beim Putten eine Technik an, bei der sie die Augen beim Putt auf das Loch richten und NICHT klassisch auf den Ball. Naturgemäß stellt sich die Frage, ob diese Technik wirklich eine generelle Verbesserung darstellt oder nur eine „nerdige“ Variation für einige wenige.
Ein Team von Wissenschaftlern, selbst Golfer bzw. sogar PGA-Pro, haben verfügbare Studien und Experimente zum Thema „Blickrichtung beim Putten“ gescreent. Die Ergebnisse sowie die Problematik bei der Vergleichbarkeit der Einzelergebnisse wurden in einer Übersichtsarbeit dargestellt.
Herausforderung Golfputt
Je unbeeinflusster und abgeschlossener eine Tätigkeit ausgeführt wird, umso mehr unterliegt sie der eigenen Technik. Die Variation beim an sich ungestörten und zeitunkritischen Putten kommt also eher durch eigene Abweichungen zustande. Anders ist dies z.B. bei einem Tennisschlag, der immer auch von dem vorherigen Schlag des Gegners abhängt und damit deutlich weniger der eigenen Kontrolle unterliegt. Gleichzeitig sind Putts die häufigsten Schläge auf einer Runde, bieten also ökonomisch gesehen das höchste Potenzial zur Verbesserung. Entsprechend liegt es nahe, ein besonderes Augenmerk auf die Putt-Technik zu richten.
„Target-focused-aiming (TFA) – Zielfokussiertes Putten“
Einige Studien zum Vergleich von „ballfokussiertem Zielen“ (ball-focused aiming, BFA) versus „zielfokussiertem Zielen“ (target-focused aiming, TFA) liegen vor, die erste schon von 1968. BFA bedeutet dabei, dass die Augen beim Putten auf dem Ball ruhen, was der zumeist gelehrten Technik entspricht. TFA bedeutet, dass während des Putts die Augen auf das Loch gerichtet sind, das Ball also „blind“ getroffen wird.
Es exisitieren verschiedene Erklärungsansätze, warum TFA eine Verbesserung darstellen könnte:
- Visuell: Eine Verknüpfung zwischen Blickmuster und Performance, somit zwischen visuellem und motorischem System gilt zunehmend als belegt, was sich beim Putten auch bei der Technik des Quiet Eye (siehe unten) zeigt.
- Interner Focus: Die konstante Fixierung des Ziels könnte den inneren Focus verbessern und zu weniger Ablenkung und zur Einleitung einer so erfolgreicheren motorischen Handlung führen, was anhand von bestimmten Hirnstromaktivitäten z.B. bei Bogenschützen gezeigt werden konnte.
- Physio-mechanisch: Unterschiede in der Körperhaltung bei TFA könnten zu anderen Bewegungsmustern und somit zu einer besseren Konstanz der Bewegung führen.
Die Ergebnisse
Die untersuchten Studien kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen: In einigen wurde dem „neuen“ TFA tatsächlich ein besseres Ergebnis zugesprochen: Zum Teil bezog sich die Verbesserung auf das Puttergebnis (Abstand zum Loch oder getroffene Putts), zum Teil auch auf den technischen Ablauf (geringere Variation beim Putter-Ball-Kontakt).
Andere Studien konnten hingegen keinen Benefit der neuen Technik gegenüber BFA feststellen. Es wurde aber auch kein Nachteil von TFA beschrieben.
Das Problem der Studien
Ein Problem bei der Beurteilbarkeit der Studien lag darin, dass die Studienbedingungen sehr unterschiedlich waren: Es wurde nicht zuverlässig zwischen Anfängern und erfahrenen Golfern unterschieden, Elitegolfer wurden gar nicht betrachtet.
Gerade für diese Erfahrenen sind aber andere Puttverhaltensweisen bekannt: Häufig werden vor von guten Golfern dem Putt wechselnd Ball UND Loch fixiert. Zudem zeigt sich bei besseren Puttern eine längere Fixierung des Balls vor dem Putt, was als „Quiet Eye“ bezeichnet wird und ebenfalls Gegenstand zahlreicher Golfstudien ist.
Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde die Augendominanz (schon mal gehört? Sonst hier), obwohl diese einen erheblichen Einfluss nimmt.
Selbst eine Handicap-bezogene Einteilung stellt noch keine Aussage hinsichtlich der spezifischen Puttkompetenz (nicht Spielkompetenz) dar. Auch die Putts unterschieden sich hinsichtlich Richtung und Länge. Nur in einer Studie wurden zudem die besonders herausfordernden Putts mit Break untersucht, zum Teil wurde auch nur unter Laborbedingungen geputtet.
Nicht zuletzt waren die Studien nicht vergleichbar hinsichtlich der verwendeten Ausrüstung, also Ball und Putter und nicht in jeder Studie wurde TFA vor Testung ausgiebig trainiert. Dabei ist gerade eine neue Technik ja nicht immer von einer sofortigen Verbesserung begleitet. Oft benötigt eine Umstellung eine Trainingsphase, wie ja jeder weiss, der versucht, seinen Schwung umzustellen ;-(((.
Fazit
Insofern lautet das Fazit der Übersichtsarbeit auch, dass die Studienqualität noch zu unterschiedlich ist, um eine Aussage zu treffen. Weitere Studien unter Einbezug der genannten fehlenden Parameter sind nötig, um TFA gegenüber BFA wirklich beurteilen zu können.
In einer späteren eigenen Untersuchung zeigen die Autoren übrigens, dass TFA dem BFA gleichwertig ist und empfehlen erfahrenen Golfern das „kostenfreie Experiment“ auszuprobieren.
Meine Take-home-message:
- Die Funktionsweise von TFA ist in der Theorie noch nicht komplett erklärbar
- Eine Verbesserung durch TFA gegenüber klassischem BFA ist noch nicht belegt, es gibt aber Hinweise auf zumindest gleichwertige Ergebnisse
- Eine Verschlechterung durch TFA ist nicht beschrieben, es gibt also nichts zu verlieren
- Ein Versuch kostet nichts, sollte aber systematisch und mit Geduld und Training durchgeführt werden.
- Andere Blickverhaltensweisen beim Putten wie Quiet Eye lohnen ebenfalls die (mit TFA vergleichende) Beschäftigung damit
Bildquellen
- Beitragsbild: Photo by Thomas Park on Unsplash