Der „Yips“ und die Persönlichkeit – Lässt sich das Versagen unter Druck vorhersagen?

Beim Schreiben dieses Beitrags ist es Tag 1 nach dem dem Finale der US Open – nein, diesmal nicht Golf, sondern Tennis. Der ja eigentlich so gut wie unschlagbare Novak Djokovic hat soeben die Chance auf die erste Grand Slam Serie seit über 50 Jahren verpasst und das Finale in drei Sätzen glatt und klar verloren. Ob da nicht auch der Druck der eigenen und der öffentlichen Erwartung angesichts des historischen Ziels eine Rolle gespielt hat?

Zeit, sich dem Versagen unter Druck und zugrunde liegenden psychologischen Faktoren zu widmen!

Choking und Yips – vom Vermasseln und Zucken

Wer kennt es nicht: Auf der Range gelingen die Abschläge, auf dem Übungsgrün die Putts und dann, im Turnier, geht gar nichts mehr. Im Sport als „Choking“ („Ersticken„) bezeichnet ist diese Prüfungsangst häufig: über die Hälfte aller befragten Golfer geben an, solches Versagen zu kennen.

Eine spezielle Form des Versagens unter Druck ist der mysteriöse „Yips„, das psycho-motorische Phänomen, dass als „Golfer-Schluckauf“ eine geplante Bewegung wie z.B. beim Putten beeinflusst und behindert. Oft wird Yips als Krampf oder als Muskelzuckung beschrieben und führt zu ungeplanten und scheinbar unbeeinflussbaren Bewegungen.

Eine Studie hat sich der Frage gewidmet, ob bestimmte Persönlichkeitsfaktoren das Auftreten von Choking oder Yips vorhersagen können.

Das Angst ein wesentlicher Faktor ist es dabei durchaus bekannt. Interessant ist, dass zum Teil aber vermutet wird, dass weniger die Intensität der Angst unter Leistungsdruck entscheidend ist, sondern vielmehr die subjektive Wahrnehmung der Angst. Wird diese als bedrohlich empfunden, so führt es zum Versagen. Wird hingegen die Angst positiv als Nervenkitzel oder als Ansporn wahrgenommen, kann sie sogar leistungssteigernd wirken. Passend zu dieser Hypothese ist es ja durchaus bekannt, dass eine Turnierrunde mit ein wenig Druck viel besser sein kann als eine (zu) entspannt gespielte Urlaubsrunde.

Auch ein ausgeprägter Perfektionismus kann ein Hinweis auf eine erhöhte Versagenswahrscheinlichkeit geben. Je höher die gesetzten Ziele sind, desto höher ist auch der Druck. Auch wurde zuvor berichtet, dass Perfektionisten das Gefühl der Akzeptanz an ihre Leistungen und deren äußere Wahrnehmung knüpfen. Auch dies kann den Druck im negativen Sinne erhöhen, da für perfektionistische Athleten „mehr an der Leistung hängt“.

Die Studie

155 Athleten, darunter nicht nur Golfer sondern auch Bogenschützen, wurden gebeten, verschiedene Fragebögen, die Persönlichkeitsmerkmale erfassen, auszufüllen. Zudem wurde abgefragt, ob die Athleten an einer der beiden Formen von Versagen unter Druck leiden. Ziel der Studie war, zu untersuchen, ob verschiedene psychologische Merkmale (Angst vor negativer Wahrnehmung, Angstempfindlichkeit, Selbstbewusstsein, perfektionistische Selbstdarstellung, Perfektionismus) vorhersagen können, ob bestimmte Personen mit höherer Wahrscheinlichkeit Formen „paradoxer Leistung“ wie Yips und Choking erleben.

Die Ergebnisse

36% der Golfer gaben an unter Yips zu leiden. Bei Betrachtung alle Athleten inclusive der Bogensportler gaben 28 % an unter Yips und Choking zu leiden. 11% gaben nur einen Yips an, 39% nur Choking und nur 21 % gaben keines von beiden an.

Ein geringe Gewissenhaftigkeit hatte dabei den größten negativen Vorhersagewert für beide Formen paradoxer Leistung, was darauf hindeutet, dass solche Personen, die sich eher sozialen Normen entziehen, weniger gewissenhaft und weniger vorsichtig sind und eher Risiken eingehen, häufiger eine Yips- oder Choking-Erfahrung machen. Ein Erklärungsansatz ist, dass gewissenhaftere Golfer sich besser vorbereiten und diese Vorbereitung eine höhere Sicherheit bietet.

Eine höhere Angstempfindlichkeit spielte eine Rolle beim Choking, nicht aber beim Yips

Im Vergleich zu Teilnehmern, die kein Choking angaben, berichteten Betroffene 10 Faktoren aus den Bereichen „Soziales“, „Angst“ und „Perfektionismus“ signifikant unterschiedlich. Die Faktoren konnten umgekehrt über 70% der Betroffenen richtig zuordnen. Gewissenhaftigkeit und Selbstvertrauen hatten dabei den höchsten Vorhersagewert.

Nur 4 Variablen konnten beim Yips 69 % der ursprünglichen Stichprobe korrekt vorhersagen, wobei Gewissenhaftigkeit und perfektionistische Selbstdarstellung die größten Beiträge zur Yips-Vorhersage leisteten.

Fazit

Die Ergebnisse betonen die Rolle, die Persönlichkeitsmerkmale bei der Anfälligkeit gegenüber paradoxen Leistungen spielen. Insbesondere scheinen Perfektionismusfaktoren eine Rolle zu spielen. Die Studie bietet einen neuen Aspekt, indem sie zwei der häufigsten paradoxen Leistungen, Yips und Choking, gleichzeitig untersucht. Dementsprechend schlagen die Autoren zwei Vorhersagemodelle vor: ein Yips-Modell, das ausschließlich soziale Faktoren umfasst und ein Chokingmodell, das soziale, Angst- und Perfektionismusfaktoren einschließt.

Meine Take Home Message:

Der Druck der sozialen Erwartung scheint beim Yips eine größere Rolle zu spielen. Faktoren aus allen untersuchten Bereichen, hierbei auch „innere“ Persönlichkeitsfaktoren können die Wahrscheinlichkeit für ein Choking im Sinne einer Prüfungsangst erhöhen.

Alle diese Faktoren wie Angst, Gewissenhaftigkeit und die Empfänglichkeit gegenüber der Erwartung anderer Menschen sind nicht unabänderlich! In einem Sport, in dem wir viel Geld in neues Material stecken, ist es zu empfehlen, auch in Mentaltraining zu investieren. Zumindest aber lohnt es sich, die eigenen Faktoren, Ängste und Erwartungen zu betrachten und zu hinterfragen…

In der Medizin ist klar, dass psychische Faktoren den Körper beeinflussen, positiv wie negativ. Einen Yips im Golf als schicksalhafte, rein körperliche Bewegungsstörung zu betrachten ist daher auch hier sicher zu einfach gedacht!

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