Golf historisch: Kann man Alkoholiker mit Golf therapieren? (1945)
Die letzten absehbar warmen und hellen Wochenende brechen an (über die Wehmut des Abschieds vom Sommer hatte ich dabei ja hier schon geschrieben…) und da liegt es auf der Hand, dass deutsche Golfresorts am Wochenende noch einmal schwungweise Besuch von diversen Golfgruppen bekommen. So auch vor kurzem von unserer Runde.
Viele dieser Gruppen (so auch wir) nehmen dann auch ein oder mehrere Bier(e) mit auf die Runde oder trinken direkt am Abschlag (würden wir nie tun) schon eines – klar, ist ja Urlaub und da zählt das „Ferienfeeling“ für viele mehr als der Score.
Das ist wie ich finde ein guter Grund, die Kombination von Golf und Alkohol einmal näher „mit wissenschaftlicher Brille“ zu betrachten:
Die älteste Publikation, die ich zu Golf und Alkohol gefunden habe, wurde von John Eisele Davis MA, Sc.D. 1945 in „Psychiatric Quarterly“ veröffentlicht (hier). Sie befasst sich mit Freizeitaktivitäten für Alkoholiker in psychiatrischer Therapie und widmet Golf dabei den größten Abschnitt. Eigentlich ist der Text in weiten Teilen sogar eine regelrechte Lobeshymne auf den Golfsport. Der Autor beschreibt im Sinne eines Diskussionsbeitrags seine 20-jährige Erfahrung als Therapeut vornehmlich in Einrichtungen für amerikanische Kriegsveteranen mit verschiedenen Freizeitaktivitäten.
Golf wird aus mehreren Gründen ein großes Potenzial zur Behandlung alkoholkranker Veteranen zugesprochen:
- Zum einen vermittle Golf unkompliziert sowohl Freude wie auch Freunde – man komme beim Golfen in Kontakt zu anderen Menschen, auf eine leichte, spielerische Weise (Stimmt, wie man in jedem Turnier mit Fremden wieder feststellt…)
- Dieser soziale Kontakt sei in besonderer Weise wichtig, da sich Alkoholkranke sonst häufig nicht zugehörig bis ausgeschlossen fühlten. Die Zugehörigkeit und ein Miteinander seien in einem überschaubaren Setting mit klaren Regeln wie bei Golf leicht zu erlangen.
- Dabei sei Golf in der Zielsetzung und im Erfolgserlebnis sehr individuell anpassbar, vom wenig leistungsorientierten Spaßspieler bis hin zum ehrgeizigen Sportler. Gleichzeitig sei Golf nicht so anstrengend, dass es nicht auch weniger sportliche Spieler „abhole“.
- Golf lehre die Betroffenen, sich auch ohne Alkohol entspannen zu können.
- Die Beobachtung des alkoholkranken Golfers durch Therapeuten erbringe Hinweise auf die zugrunde liegende Ursache für die Alkoholkrankheit: Beim Golfen zeige sich der Umgang mit anderen Spielern, das Selbstbild des Spielers , die Reaktion auf eigene Erfolge und Niederlagen, der Umgang mit Frustrationen. Dies ermöglicht dann leichter eine zielgerichtete Therapie der erkannten, zugrunde liegenden Mechanismen der Alkoholkrankheit.
- Golf ermögliche eine langsame Steigerung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit – mit der Spielerfahrung steige das Selbstvertrauen und man erlerne den Umgang mit Rückschlägen und Frustrationen (kleine Anmerkung: Tja, was wäre besser dazu geeignet als Golf…) Kurz: Mit sinkendem Handicap steigt die Fähigkeit zur Krisenbewältigung und das Selbstvertrauen.
- Auch als Beschäftigung halte Golf vom Trinken ab (vorausgesetzt man spart dabei Loch 19 aus, das es aber auf dem psychiatrieeigenen (!) Platz des Autors nicht gab).
Als Anmerkung dazu: So hat es übrigens auch der Rocker und Single-Handicapper Alice Cooper in seinem lesenswerten Buch „Golfmonster“ beschrieben: Golfen statt Trinken gegen die Langeweile auf Tourneen habe ihn gerettet…) - Zusammenfassend ermögliche Golf als Freizeitaktivität nicht nur für Therapeuten, sondern auch für Betroffene die Beschäftigung mit dem zugrunde liegenden Mechanismus der Alkoholabhängigkeit. Man lerne beim Golf auch die Regulierung von Emotionen.
Golf hat also nach Ansicht des Autors viel Potenzial gegen Alkoholabhängigkeit zu bieten. Systematische Studien mit Vergleichen verschiedener Aktivitäten oder andere Belege für die Thesen habe ich nachfolgend allerdings nicht gefunden. Nachvollziehbar erscheinen die Grundannahmen jedoch durchaus!
Die Meinung des Autors zum Freizeitkonsum von Alkohol bei Golfrunden außerhalb von psychiatrieeigenen Golfplätzen ist übrigens leider nicht überliefert. Zum Golfbier für Nichtalkoholiker folgt mehr in den nächsten Beiträgen….
Prost und ein schönes herbstliches Spiel!
Bildquellen
- Beitragsbild: ©Männergolfrunde