Sollten Rechtshänder wirklich rechtshändig spielen?

Wenn Sie als Rechtshänder Holz hacken, welche Hand ist dann am Ende der Axt? Und wenn Sie Tennis spielen, welche Hand ist dann bei der beidseitigen Rückhand „hinten“? Genau, die meisten Menschen halten intuitiv die jeweils dominante Hand am Ende eines Schlägers. Aber warum ist dann die rechte Hand unten am Griff, wenn sie als Rechtshänder Golf spielen?

In einer Studie zur Händigkeit bei Cricket war zunächst aufgefallen, dass überproportional viele Top-Spieler entgegen ihrer eigentlichen Händigkeit („reversed stance“) spielen. Für Baseball konnte dieser scheinbare Vorteil ebenfalls gezeigt werden. Und auch in der NHL spielen die meisten Spieler left-handed, obwohl Rechtshänder überwiegen (spannender Blogbeitrag hier).

Aber wie sieht es beim Golf aus? Einige Spieler konnten bislang ein „Major“ mit einer linkshändigen Spielweise gewinnen, die meisten davon aber als Rechtshänder. Und Jordan Spieth z.B. spielt und gewinnt als Linkshänder mit einer rechtshändigen Spielweise.

Die Theorie

Der Vorteil eines reversed stance könnte zwei mögliche Erklärungen haben:

Es wird angenommen, dass die obere Hand für die Kontrolle des Golfschwungs verantwortlich ist und den Schläger während des Schwungs fester hält. Bei einem Spieler mit umgekehrter Haltung wäre die obere Hand auch die bevorzugte Hand und würde sowohl den Schläger fester greifen als auch eine überaktive untere Hand vermeiden.

Zweitens gilt die Position des dominanten Auges als Faktor für die erfolgreiche Ausführung eines Golfschwungs. Studien zum Putten haben einen Leistungsvorteil diskutiert, wenn der Ball mit dem dominanten Auge ausgerichtet wird. Eine starke Handpräferenz erhöht die Wahrscheinlichkeit einer gleichsinnigen Augendominanz. Wenn ein Golfer also in einer umgekehrten Haltung spielt, ist damit das dominante Auge vorne, was ein Vorteil beim Schwung sein könnte.

Die Studie

Eine aktuelle Studie hat nun untersucht, ob es vorteilhaft ist, mit umgekehrter Position („reversed stance“) zu spielen, also wie z.B. Phil Mickelson als Rechtshänder Golf wie ein Linkshänder zu spielen.

In der Studie wurden 150 Golfer in 5 Handicapgruppen untersucht. Eine Gruppe bildete dabei Profi- und sehr gute Spieler ab, die übrigen verschiedene höhere Handicapgruppen bei Clubgolfern. Die Handdominanz der Golfer wurde mit einem Fragebogen erfragt, die Augendominanz wurde getestet. Die 12 von 150 Spielern mit einem ermittelten reversed stance wurden anschließend interviewt.

Die Ergebnisse

Profis und sehr gute Spieler waren signifikant seltener Rechtshänder als in anderen Handicapgruppen. Gleichzeitig war die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine umgekehrte Spielhaltung hatten, um das 20-fache (!) gegenüber den anderen Gruppen erhöht. Die Augendominanz hingegen unterschied sich nicht.

Gründe für den reversed stance waren unterschiedlich, aber nur die Hälfte der Betroffenen hatte beim Erlernen beide Ausrichtungen probiert. Interessanterweise gaben die meisten an, andere Sportarten entweder in konventioneller Haltung oder je Sport variabel zu spielen. Dies könnte auf Besonderheiten beim Golfschlag hinweisen.

Bessere Golfer waren häufiger beidhändig (also ohne starke Handdominanz im Alltag), und sowohl bessere als auch Golfer mit umgekehrter Haltung waren bei alltäglichen Aktivitäten wahrscheinlicher Linkshänder. Golfer mit umgekehrter Haltung waren jedoch nicht häufiger beidhändig als herkömmliche Golfer. Dies deutet darauf hin, dass Beidhändigkeit alleine nicht erklärt, warum Golfer eine umgekehrte Haltung einnehmen, Linkshändigkeit jedoch schon.

Das Fazit

Die Augendominanz scheint keinen Einfluss auf die Ausbildung eines reversed stance zu haben.

Es könnte für das Erreichen besserer Handicapklassen einen Vorteil geben, Golf in umgekehrter Haltung spielen zu lernen. Warum aber lernen dann die meisten Golfer das Spiel in konventioneller Ausrichtung? Es ist möglich, dass es beim ersten Erlernen des Spiels einfacher ist, den Ball zu schlagen, wenn die bevorzugte Hand unten am Schlagende des Schlägers liegt, was aber eben langfristig keine Vorteile mehr bringt.

Gerade Neuanfänger im Golf sollten von Teaching-Pros daher stärker auf die Möglichkeit des „reversed stance“ gecoacht werden, da dies langfristig ein Vorteil darzustellen scheint. Ob es sich als Linkshänder oder als beidhändig starker Mensch hingegen besonders lohnt, mit dem Golfen anzufangen, das bleibt jedem selbst überlassen.

Sehr interessant wäre es, diese Studie bei Tourgolfern zu wiederholen. Wahrscheinlich würde sich damit noch der ein oder andere rechtshändig spielende Linkshänder identifizieren lassen…

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